"TheaterTheaterder Vorhang geht aufdann wird die Bühne zur Welt.TheaterTheaterdas ist wie ein Rauschund nur der Augenblick zählt."
Diese
Zeilen des Songs „Theater“ sang Katja Ebstein 1980 beim Grand
Prix Eurovision de la Chanson und erreichte damit den zweiten Platz. Jetzt
fragt ihr euch sicher, was diese einleitenden Worte sollen und worauf
ich hinaus will?! Letzten Freitag war ich im Residenztheater in
München und habe mir das Stück „Erpressung“ von Pippo Delbono angeschaut.
Modernes Theater mit lauter Musik, Tanz- und Performance-Einlagen,
Sprach- und Wortspielen, mit viel nackter Haut und ohne klare
Handlung, nur bloße Aneinanderreihungen von Szenen. Viele Zuschauer
zeigten sich irritiert, verließen vorzeitig den Saal, der Applaus am
Ende war zudem auch mehr als zaghaft. Diese Reaktionen lassen mich seit
jenem Freitag nicht los und mir stellt sich die Frage: Welche
Funktion hat Theater heute überhaupt noch und welche Erwartungen hat
das Publikum ans Theater?
Mich
hat das Stück durchaus bewegt, mitgenommen, ja es war eine
regelrechte Achterbahn der Gefühle. Das Spiel mit Sprachen, Musik,
Bewegungen hat mich mehr als fasziniert. Zugleich kann ich aber nicht
wiedergeben, was auf der Bühne passiert ist, geschweige denn, was
Inhalt und Sinn des Stückes sind. Aber muss Theater das
überhaupt?
Theater
übt seit jeher eine Faszination auf mich aus. Es ist direkter und
präsenter als Kino, alles spielt sich direkt vor dem eigenen Auge
ab, keine Grenze, nur bloße Unmittelbarkeit. Diese enorme Präsenz
wurde mir erstmals 2004 bewusst, als ich Julia Jentsch als Antigone
an den Münchner Kammerspielen erlebte. Ich war danach regelrecht
geflasht, konnte und wollte nicht reden. Ähnliches habe ich seitdem
nicht mehr erlebt, aber dieses Initiationserlebnis fachte die
Theaterliebe an. Als Studentin setzte ich mich des Öfteren in
Vorlesungen der Theaterwissenschaft: Der Bezug zu meinem eigenen
Studienfach - Germanistik - ist natürlich unverkennbar, aber die
Theaterwissenschaft zeigte mir eine andere Herangehensweise an Stoffe
und nicht zuletzt waren die dort gezeigten Film- und
Theaterausschnitte eine Abwechslung zu meinem
Untersuchungsgegenstand, dem Text.
Die
Vorlesung „Regie zwischen Sensation und Tradition – Einführung
in das avancierte Gegenwartstheater“ von Prof. Dr. Andreas Englhart
hat Antworten auf die Frage nach der gesellschaftlichen Funktion des
Theaters gesucht. Danach scheidet die „Schaubühne als moralische
Anstalt“ nach Schiller aus, als spontaner Ausdruck
gesellschaftlicher Vorgänge kann das Theater jedoch auch nicht mehr
gelten und eine bloße Unterhaltungsfunktion ist auch nicht mehr
anzunehmen. Was soll und was ist Theater? Wo bleibt der
Zuschauer im Gewirr von Regisseuren, Autoren, Theaterkritikern,
Feuilletons und akademischen Untersuchungen? Welcher Theatergänger
kann Begriffe wie Regietheater, postdramatisches Theater oder
Diskurstheater verstehen und einordnen? Woran hält sich der
Zuschauer fest, wenn sich Raum, Zeit und Körper auflösen und den
Zeichen keine Bedeutung mehr zugewiesen werden kann?
Vielleicht
hilft hier die Antwort von René Pollesch, einem der bekanntesten
Dramatiker und Regisseure des deutschsprachigen Theaters, weiter:
"Wir sollten im Theater nicht dauernd auf das Verstehen abzielen. Dadurch, dass wir uns verstehen, ist noch nichts gewonnen."
Aus einem Interview mit Tobias Haberl im Süddeutschen Zeitung Magazin (Heft 17/2012)
Die
Antwort ist gut, keine Frage, aber dennoch unbefriedigend. Der Mensch
drängt immer nach Antworten, er will verstehen und begreifen. Ich
muss mich wohl mit diesem Ergebnis zufrieden geben, weitere
Theaterbesuche auf mich wirken lassen und Gefühle statt Gedanken
walten lassen. Ich bin gespannt, was die moderne Theaterszene noch
entwickeln wird und halte mich hier an das Fazit aus oben genannter
Vorlesung: Momentan ist keine eindeutige Richtung im deutschen
Theater auszumachen, es werden angesichts der globalen Krise soziale
Fragen diskutiert, Handlung wie Erzählung scheinen auf die Bühne
zurückzukehren, der Mensch als Mitmensch interessiert wieder und es
wird eine neue Realität hinter dem Wust von Zeichen und Bildern
gefordert.
Oder könnt ihr mir eine Antwort geben? Welche Bedeutung hat Theater? Besucht ihr selbst überhaupt noch Inszenierungen oder ist das Theater als solches bereits ein alter Hut, ein Medium der Vergangenheit?
In einem der nächsten Posts wird eine weitere Theater-Frage diskutiert: Was geht modisch im Theater und was überhaupt nicht? Seid gespannt, ich bin es bereits auf eure Antworten!
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