Dienstag, 19. Februar 2013

Der Mantel wird zum Cape

Februar Woman Lookbook von Zara (Sweater in Orange)

Seit geraumer Zeit beobachte ich in Streetstyles und Daily Outfits ein Phänomen, das scheinbar neu aufgekommen ist oder ich habe viel zu lange meine Augen verschlossen. Ihr fragt euch, wovon ich rede? Senfgelb wird zum Knaller des Frühlings? Wir alle sollten sofort zur Schere greifen und uns einen Bob verpassen? Nein, hier geht es um ein elementares Stück der Mode, das einen Look komplettiert, ihn angezogen, elegant oder schlicht cool wirken lässt: der Mantel. Bevor ich aus dem Haus gehe, greife ich an den Garderobenhaken, strecke meine Arme den Ärmeln entgegen, wickel einen Schal um den Hals, schlüpfe in Boots und schon bin ich raus aus der Haustür. Dieses "Vorgehen" scheint nun passé zu sein, denn Mäntel werden nicht mehr einfach profan angezogen, neuerdings legt man sich diese um die Schultern. Bereits die ersten beiden Fotos auf dem Streetstyle-Blog A Love Is Blind zeugen von diesem Trend und auch das neue Lookbook von Zara bietet ein Beispiel par excellence. Doch warum das Ganze? Auf den ersten Blick mutet das Theater seltsam und furchtbar unpraktisch an: Die Arme liegen frei und das Frösteln tritt bereits nach kurzer Zeit ein. Außerdem ist die Bewegungsfreiheit extrem eingeschränkt, denn bei allzu großen Gesten und Bewegungen macht sich der Mantel davon. Doch warum sollten wir in der Mode von praktischen Dingen sprechen?! Gehen wir doch lieber zu ästhetisch-kulturellen Fragestellungen über, in denen ich nun eine Erklärung für das Mantelphänomen suche.

1. Mit dem umgelegten Mantel verbinden wir zunächst alle ein und dieselbe Assoziation: Die Dame friert und der galante Herr bietet seinen Mantel an, um die Frau zu wärmen. In diesem gewöhnlich viel zu großen Mantel wirkt sie zart und zerbrechlich, etwas, das beschützt werden muss und stetig nach Aufmerksamkeit sucht. Erklärung Nummer Eins unterstreicht das klassische Rollenmodell von der Schutz suchenden Frau und dem beschützenden Mann. Die Weiblichkeit wird betont und wieder zur Geltung gebracht, denn schließlich kann man toughe Geschäftsfrauen und Boyfriend-Looks nicht mehr sehen. Oder?

2. Der Fall könnte aber auch ganz anders liegen: Der Mantel wirkt umgelegt viel eher wie ein Cape, ein Umhang. Und wer trägt Umhänge? Zorro, Dracula, Zauberer. Ha! Allesamt starke Figuren, die jeder Zeit ihre Hände brauchen, einsatzbereit sein müssen, kämpfen und sich durchsetzen. Ein Umhang flattert im Wind, macht stärker, größer, kräftiger und kann im Notfall schnell abgeworfen werden. Frau will sich durch den Mantel nicht mehr beengen lassen, sondern ihn ganz zufällig und lässig um die Schultern legen, die Gesamterscheinung in Höhe wie Breite vergrößern und ein breites (männliches) Kreuz vorgeben. Im Fall der Falle löst sie sich vom Mantel, lässt ihn herabgleiten und ist bereit für alles, was Welt und Leben ihr entgegenstellt.

Nun, was fangen wir mit diesen Erklärungen an, die gegensätzlicher nicht sein könnten? Vielleicht liegt die Lösung wie eh und je in der Mitte: Wollen wir Frauen nicht immer etwas von Allem? Zart und stark zugleich sein, kämpfen, aber im richtigen Moment in den Arm genommen und beschützt werden? Die neue Art, den Mantel nur umzulegen statt zu tragen, symbolisiert gerade diese Zwischenhaltung. Wir wollen alles und doch von Allem nur ein bisschen.

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